Freitag, 13. November 2015

Autobiografie Seite 4





                       
                                   1955

Ab Sommer ist mein Reinlichkeitstraining beendet.

Ich rede am Ende des dritten Lebensjahres in Haupt- und Nebensätzen, mit
mehr oder weniger geordneter Grammatik. Ich rede von mir selber, per „ich“
und von anderen per „du“, „er“ oder „sie“, je nachdem es die Situation erfordert.
In meiner Personenbeziehung bin ich differenzierter geworden, die Machtkämpfe sind nuanciert.

Es gibt nicht mehr nur Allmacht und Ohnmacht, sondern viele Grade dazwi-
schen.

Leistungen und Gegenleistungen, stehen in genauerem Verhältnis zueinander.
Ich gehe mit Personen Koalitionen ein, die allerdings noch je nach Bedarf und
Vorteil wechseln.

Von unschätzbarem Nutzen für mein soziales Verhalten, sind dabei in der
Hauptsache die Kontakte mit Oma Otti sowie mit meinen Onkeln und Tanten,
vorwiegend mit Ludwig, Peter, Fritz und Otti, die sich alle im Teenager-Alter
bzw. jungen Erwachsenenalter befinden.

Die lustigen Streiche, das Toben, das Verständnis und Wohlwollen welches mir
von Ihnen entgegengebracht wird, werde ich nie vergessen. Bald bin ich mehr
bei Oma Otti und ihren Kindern als zu Hause bei den Eltern.

Das Essen schmeckt bei Oma Otti einfach besser. Es sitzen immer viele Per-
sonen am Mittagstisch die auch untereinander kommunizieren. Alle Zwänge
fallen hier von mir ab. Immer öfter halte ich mich im Treppenhaus, bzw. in
der Küche von Oma Otti oder im Schlafzimmer der Jung´s auf. Ich darf auf
dem Motorrad von Onkel Ludwig sitzen, oder Onkel Fritz nimmt mich im Hand-
wagen mit zur Müllkippe, machmal spielen wir sogar zusammen auf der
Straße.

Meinen Onkeln und Tanten sowie meinen Großeltern habe ich es zu verdanken,
daß es auch so etwas wie Freude und Spaß in meiner Kindheit gab. Auch bei
Oma und Opa Palm fühle ich mich wohler als bei den Eltern. Obwohl Lothar
studiert, findet er immer etwas Zeit mit mir zu spielen.

Wir wohnen immer noch im Obergeschoß, in zwei Zimmern (Küche und Schlaf-
zimmer), langsam wird es eng, dies ist auch mit ein Grund dafür, daß ich im-
mer öfter im Garten spiele. Es gibt hier viel zu erkunden und meine Neugier
ist schier grenzenlos.






Es macht riesigen Spaß den Hühnern zuzuschauen, das Gemüse und die Blu-
men zu bestaunen. Vögel, Bienen, Insekten bei ihrem Treiben zu beobachten.













 Schlagzeilen des Jahres

         Die Armee der geschlagenen kehrt aus der russischen Gefangen-
         schaft in eine nach der Kapitulation fremde Heimat zurück. Er-
         schöpft und verbittert hören diese ersten Spätheimkehrer am 9.
         Oktober die Begrüßungsworte westdeutscher Offiziere.

         Der unbekannte Papa wird von vielen Jugendlichen zwischen 10
         und 15 Jahren mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Andere
         Väter kehren nach der  harten russischen Gefangenschaft nicht
         mehr nach Hause zurück, sie sind durch Hunger und Zwangsarbeit
         gebrochen oder gestorben.

         James Dean stirbt bei Paso Robles in seinem Porsche.

         Die Lufthansa nimmt nach 10-jähriger Unterbrechung den Flug-
         betrieb wieder auf.

         14. Mai, acht osteuropäische Staaten schließen sich zum Warschauer
         Pakt zusammen. Dies ist die Einleitung zum „kalten Krieg“. Das Mili-
         tärbündnis ist als Gegengewicht zur USA-dominierten NATO ge-
         dacht.

         




                               Der 1000 000 te VW-Käfer läuft vom Band.

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